Organisierte Organspendenverpflichtung?


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Organisierte Organspendenverpflichtung
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Laut Umfragen würden angeblich die meisten Menschen Organspenden befürworten und wären auch bereit, ihre eigenen Organe nach dem Tod (festgestelltem „Hirntod“) zur Verfügung zu stellen. In der Praxis sieht es allerdings ganz anders aus. Da sind es nur sehr wenige, die als Organspender infrage kommen, weil nach der bisherigen Gesetzeslage potenzielle Spender ausdrücklich einer postmortalen Organentnahme zustimmen müssen. Dazu benötigt man einen Organspendeausweis, auf dem diese Option angekreuzt ist. Andernfalls können höchstens noch die Angehörigen stellvertretend für den Versterbenden entscheiden. Da aber nur wenige Menschen einen solchen Ausweis ausgefüllt haben (und mit sich führen) und sich für die Organentnahme entschieden haben und Angehörige im Zweifelsfall einer Organentnahme eher ablehnend gegenüberstehen, findet man nicht genügend Spender für die Patienten, die eine Organtransplantation benötigen und daher auf ein Spenderorgan warten. Viele von ihnen versterben während dieser Wartezeit. Es müssen also dringend mehr Organe her, so meinen jedenfalls einige. In anderen Ländern gibt es schließlich auch deutlich mehr Organtransplantationen als in Deutschland. In diesen Ländern besteht eine andere juristische Ausgangssituation, nämlich eben diese Widerspruchslösung. Das bedeutet, jeder Erwachsene gilt als potenzieller Organspender, es sei denn, er widerspricht ausdrücklich und vermerkt dies in einem staatlich geführten Register oder ähnlichem. Diese Regelung möchten nun auch Gesundheitsminister Spahn (CDU) und der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) einführen, indem sie einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundestag zur offenen Abstimmung (ohne Fraktionsbindung) bringen.  

 

Für die Mehrheit der Deutschen scheint das eine gute Lösung zu sein. Viele Christen und auch Nichtchristen halten dies für einen humanistischen Akt der Nächstenliebe und offenbar für eine normale Art zu heilen und zu helfen. Doch haben diese Menschen sich überhaupt schon eingehend und grundsätzlich Gedanken darüber gemacht, was das eigentlich bedeutet? Ich habe da so meine Zweifel. Auch ich war aus den genannten Gründen früher für Organspenden. Doch je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr Zweifel sind in mir entstanden. Mittlerweile bin ich persönlich gegen Organspenden und erst recht gegen den neuen Gesetzentwurf und das aus den folgenden Erwägungen und Gründen:

 

     1)  Grundsätzliche ethisch-religiöse Einwände: Nur weil es technisch möglich ist, einem Menschen ein Organ zu entnehmen und es in einen anderen Menschen zu verpflanzen, ist es noch lange nicht moralisch richtig. Menschen sind keine Maschinen, denen man irgendwelche Teile rausnehmen und einsetzen kann, sondern individuell einzigartige be- bzw. geschaffene Lebensformen mit einer von Gott gegebenen Würde. Der Tod und Krankheiten sind natürliche Bestandteile des Lebens, die man nicht mit allen Mitteln umgehen bzw. verhindern sollte. Außerdem besteht auch nach dem Tod eine gewisse Integrität des Körpers, die es zu wahren gilt. Wer eine Leiche oder einen im Sterben begriffenen Menschen zerstückelt und ausweidet, um einem anderen das Leben zu verlängern, macht den einen zum Mittel und den anderen zum Zweck. Nach Kant ist aber jeder Mensch auch ein Zweck an sich selbst. Das begründet dessen Würde. Für Christen gilt dies umso mehr, weil sie noch nicht einmal frei über ihren eigenen Leib verfügen dürfen. Er ist von Gott gegeben und wird in der Bibel auch als „Tempel des Heiligen Geistes“ bezeichnet. Auch wenn man stirbt, sollte man dies nicht gänzlich außer Acht lassen.

 

Zudem kann man einwenden, dass sich die Gefahren, Organspenden zum Vorteil bestimmter Personen oder Personengruppen zu missbrauchen, Regeln zu missachten und mit Organen Handel zu betreiben durch die Widerspruchslösung erhöhen, weil nur noch ein Eintrag in einem Register (und evtl. ein Einspruch von Angehörigen) als mögliches Hindernis besteht.

 

2) Medizinische Einwände: Zunächst einmal kann man die Gleichsetzung von Hirntod und Tod in Zweifel ziehen. Zwar mögen die derzeitigen medizinischen Erkenntnisse nahelegen, dass mit dem Verfahren zur Feststellung des Hirntods ein bestmögliches Kriterium für die Diagnose des irreversiblen Sterbeprozesses gefunden worden ist, aber es steht dennoch außer Frage, dass der Spender zumindest künstlich am Leben erhalten werden muss, um ihm die Organe zu entnehmen. Und auch wenn man nach heutigem Kenntnisstand zu dem Ergebnis gelangt, dass beim sogenannten „Hirntod“ keinerlei Hirnaktivität und Schmerzempfinden mehr vorhanden sind, kann man dies doch nicht vollkommen ausschließen. Auf jeden Fall kann und muss man konstatieren, dass der vollständige Tod (komplettes Organversagen) noch nicht eingetreten ist.

 

Ein weiterer Einwand ergibt sich aus dem Umstand, dass ein medizinischer Erfolg durch die Transplantation nicht gewährleistet werden kann. Das gespendete Organ kann abgestoßen werden, es kann krank oder nur eingeschränkt leistungsfähig sein usw. Und selbst wenn der Empfänger es nicht abstößt, bestehen Risiken bei der Transplantation und darüber hinaus. Ohne Immunsuppressiva kann der Organempfänger ohnehin nicht mehr leben und diese haben beträchtliche Aus- und Nebenwirkungen, z.B. eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen. Das ist für mich übrigens ein klares Indiz dafür, dass die Natur (respektive Gott, unser Schöpfer) eine solche Verpflanzung von Organen nicht vorgesehen hat.

 

3) Juristische Einwände: Diese richten sich speziell gegen den neuen Gesetzentwurf. Denn bei diesem wird das Prinzip der Zustimmung ausgehebelt und einfach umgekehrt. Anstatt sich die Mühe zu machen, Menschen dazu zu bewegen, sich bewusst für die Organspende zu entscheiden und dies in einem Ausweis zu vermerken, geht man einfach den leichteren Weg und kehrt die Rechtfertigungspflicht um. Mit einem Federstrich wird mal eben jeder zum Organspender im Bedarfsfall. Wenn er dies nicht möchte, muss er rechtzeitig selbst aktiv werden und sich im Zweifelsfall dafür auch noch rechtfertigen.

 

Darüber hinaus wiegen auch noch verfassungsrechtliche Bedenken schwer. Denn in Artikel 2, 2 des Grundgesetzes ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, welches sogar ein universelles Menschenrecht darstellt, verbrieft. Dieses Recht wird durch die Widerspruchslösung jedoch empfindlich berührt, da man leichter in die Gefahr gerät unwillentlich zum „Ersatzteillager“ für begehrte Organe zu werden.

 

Abschließend kann man sagen, dass die jetzige Rechtslage absolut ausreichend und verfassungskonform ist. Keiner sollte zu einem ethisch so fragwürdigen medizinischen Verfahren automatisch verpflichtet werden, solange er nicht widerspricht, sondern im Zweifel sollte man immer davon Abstand nehmen. Wer dennoch seine Organe unter den gegebenen Umständen zur Verfügung stellen möchte, kann dies durch eine ausdrückliche und revidierbare Willenserklärung durch einen Ausweis oder einen Registereintrag tun. Nur weil man derzeit nicht genügend Organe erhält, um die Nachfrage zu befriedigen, kann man nicht Recht und Moral entsprechend verbiegen. Stattdessen müsste man eben sachliche Überzeugungsarbeit leisten oder akzeptieren, dass Menschen dazu in der Praxis nicht bereit sind.   

 


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