Corona - Eine Zwischenbilanz

 

Wir befinden uns zwar noch relativ am Anfang der Pandemie, trotzdem bereits mitten in der Coronakrise. Da lohnt es sich, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Im Folgenden zeichne ich zunächst die Entwicklung der Epidemie und der damit verbundenen Ereignisse nach. Dabei beziehe ich mich größtenteils auf die „Chronik zur Coronakrise – Ein Virus verändert die Welt“ von tagesschau.de (Link: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/hintergrund/corona-chronik-pandemie-103.html#). Im zweiten Teil beschreibe ich die positiven und negativen Effekte der Krise und im letzten Teil gebe ich eine persönliche Einordnung und Bewertung der Geschehnisse und Akteure ab, insbesondere unter der christlichen Perspektive.

 

 

1.   Chronologie der Ereignisse

 

Ausbruch der Epidemie

 

Am 6. Januar dieses Jahres berichtet die WHO von einer Viruserkrankung, die in China (Wuhan) ausgebrochen ist, was jedoch kaum zur Kenntnis genommen bzw. als Gefahr eingeschätzt wird. Am 23. Januar wird in Wuhan der Lockdown beschlossen. China reagiert damit auf eine rasche Verbreitung mit drastischen Mitteln. Am 25. Januar erreicht das Virus dann Europa, zuerst Italien, kurze Zeit später auch andere Länder in Europa, darunter Deutschland. Die ersten Fälle hierzulande werden in Bayern entdeckt, dem Bundesland, das in der Folge auch am schlimmsten betroffen ist. Am 11. Februar benennt die WHO das Virus „Covid-19“ und bezeichnet es zugleich als „Feind der Menschheit“. Dann nehmen die Ereignisse Fahrt auf. Einen Tag nach dem ersten Todesfall in Italien, riegelt das Land am 23. Februar zunächst Städte, später (7. März) weite Bereiche im Norden ab. Italiens Gesundheitssystem ist nicht in der Lage, alle Infizierten in den Hotspots (Bergamo, Mailand u.a.) der Infektion angemessen zu behandeln, so dass es viele Todesfälle gibt.

 

 

Zu dieser Zeit gibt es ca. 500 Infizierte in Deutschland. Besonders betroffen ist der Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Am 2. März beurteilt das Robert-Koch-Institut das Virus noch als „mäßig“ gefährlich. Und am 11. März spricht die WHO im Falle von Covid-19 von einer „Pandemie“, also einer weltweiten Epidemie. Die Börsen verzeichnen extreme Kursverluste. Mitte März werden in fast allen Bundesländern die Schulen und Kitas geschlossen, Schutzmaßnahmen für Risikogruppen und Reisebeschränkungen werden erlassen. Großveranstaltungen wurden in Bayern bereits am 10. März untersagt. Am 17. März beginnt ein Rückholprogamm für Deutsche aus dem Ausland. Einen Tag später hält Bundeskanzlerin Merkel zum ersten Mal in ihrer Regierungszeit eine Rede an die Nation. Darin ruft sie die Bevölkerung auf, die Lage ernst zu nehmen und sich vernünftig zu verhalten. Am 19. März beschließen die EZB und die Federal Reserve Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft, die EZB Stützkäufe und die Fed die Senkung des Leitzinses. Die Bundesregierung kündigt kurz darauf ein umfangreiches Hilfspaket für die Wirtschaft an. Es soll 150 Milliarden Direkthilfe und einen Rettungsschirm über 600 Milliarden geben.

 

 

Der Shut-down

 

Da Infektionsschutzmaßnahmen in Deutschland Ländersache sind, entscheiden die einzelnen Bundesländer über entsprechende Bestimmungen separat. Kommunen können darüber hinaus spezielle Regelungen treffen. In Bayern werden auf Landesebene die strengsten Schutzmaßnahmen und Ausgangsbeschränkungen veranlasst. Hier gibt es jedoch auch besonders viele Infizierte. Am 22. März wird ein bundesweites Kontaktverbot beschlossen, d.h. es dürfen nicht mehr als 2 Personen zusammen sein (in Bayern gar keine), die nicht aus dem gleichen Haushalt kommen. Darüber hinaus werden überall Abstandsgebote erlassen. Man soll einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu haushaltsfremden Personen einhalten, soweit es möglich ist, um eine Ansteckung zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Alle Geschäfte bis auf die wichtigsten zur Versorgung (Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Drogerien, Banken, Postfilialen) müssen geschlossen bleiben. Selbst Gottesdienste werden verboten. Man darf das Haus nur für wichtige Erledigungen, Einkäufe oder für Sport bzw. Spaziergänge verlassen. Spiel- und Sportplätze werden allerdings abgesperrt. Bei Verstößen gegen diese Maßnahmen drohen hohe Bußgelder. Laut Umfragen befürworten jedoch die allermeisten Deutschen die Maßnahmen und es zeigt sich, dass sie diese auch größtenteils einhalten. Ende März wird deutlich, dass die USA mit 125.000 Infizierten mittlerweile am stärksten betroffen sind. In Europa sind es neben Italien auch Spanien, Frankreich und Großbritannien, die mit hohen Infektions- und Sterberaten zu kämpfen haben. Deutschland dagegen schneidet im Vergleich dazu relativ gut ab. In vielen Ländern der Welt werden noch striktere Ausgangsbeschränkungen bzw. Ausgangssperren erlassen. 

 

 

Die Ausbreitung des Virus und das Leben in der Pandemie

 

Am 3. April wird die Marke von einer Million Infektionen weltweit überschritten. Das Robert-Koch-Institut ändert seine Empfehlung und rät nun doch zum Tragen einer einfachen Schutzmaske. Anfangs gab es diese jedoch nicht einmal in ausreichender Anzahl für das medizinische und pflegerische Personal. Die Einschränkungen zeigen laut RKI erste Wirkung. Am 11. April hält Bundespräsident Steinmeier eine Ansprache zur Corona-Krise, in der er zur Solidarität aufruft. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit finden fast überall auf der Welt keine normalen Gottesdienste und Osterfeierlichkeiten statt, weil sie von den Regierungen untersagt werden. Auch Familienbesuche müssen unterbleiben. Der Papst spricht in seiner Osterbotschaft von einer „epochalen Herausforderung“ und mahnt Europa zu mehr Solidarität.

 

Nachdem Österreich und andere Länder bereits erste Lockerungen der Beschränkungen durchgeführt haben, wird dies ab 20. April auch für Deutschland beschlossen. Viele Geschäfte dürfen wieder öffnen, aber die Kontaktbeschränkungen bleiben weitestgehend bestehen. Das Tragen von sog. „Alltagsmasken“ wird zunächst dringend empfohlen, dann auch zur Pflicht beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Einigen Unternehmern und Wirtschaftsvertretern gehen die Öffnungen nicht weit genug. In den meisten anderen Ländern bestehen indessen noch immer striktere Ausgangsbeschränkungen. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch das RKI warnen vor zu schnellen bzw. weitreichenden Lockerungen. Zudem sollen mehr Tests auf das Virus durchgeführt werden. Das Kurzarbeitergeld wird erhöht und ab Anfang Mai sollen weitere Lockerungen der Verbote möglich werden, u.a. dürfen wieder Gottesdienstbesuche unter strengen Auflagen stattfinden.

 

 

2.   Negative und positive Auswirkungen der Krise

 

Negative Effekte

 

Die direkten negativen Auswirkungen der Krise liegen auf der Hand, nämlich die Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens von Menschen durch die Viruserkrankung und die daraus resultierende Angst davor. Daneben gibt es aber eine Menge von indirekten Nebenwirkungen der Krise, die größtenteils erst durch die getroffenen Eindämmungsmaßnahmen des Staates entstehen.

 

Zunächst einmal ist es grundsätzlich als negativ zu bewerten, auf viele Freiheiten verzichten zu müssen, erst recht, wenn einem das Verständnis dafür fehlt, was bei der einen oder anderen Maßnahme für einige der Fall war. Das gesamte soziale und kulturelle Leben ist zeitweise extrem eingeschränkt: Keine Besuche mehr, keine Veranstaltungen mehr, keine Treffen mehr, keine Gemeinschaft mehr, Einkaufen ist vielfach nur noch online möglich und auch das religiöse Leben findet nur noch eingeschränkt statt. Und dann ist da noch die erhöhte Stressbelastung für die Menschen, die durch die veränderte Situation der Isolation bzw. dem Wohnen von mehreren Personen auf engem Raum entsteht. Diese wiederum kann zu verstärkten Aggressionen und Streitereien bis hin zu häuslicher Gewalt führen. Besonders Familien, die zusätzlichen Belastungen, wie Armut, Angst vor Arbeitslosigkeit, Home-Office und Home-Schooling usw. ausgesetzt sind und wenige Rückzugsmöglichkeiten haben, sind diesbezüglich betroffen. Bei Menschen, die allein leben, besteht dagegen die Gefahr der Vereinsamung und das Rutschen in eine Depression oder eine andere psychische Störung bzw. Krankheit. Diese wiederum können unter diesen Umständen gar nicht mehr ausreichend aufgefangen werden. Auch andere Krankheiten können zum Teil nicht mehr behandelt werden, weil entsprechende Einrichtungen geschlossen oder überlastet sind. Ähnliches gilt für soziale Einrichtungen, die sich um Probleme wie Armut, Obdachlosigkeit, Sucht, Schwangerschaftsberatung bei Abtreibung, Flüchtlingshilfe und ähnliches kümmern. Da Schulen und Kindertagesstätten ebenfalls geschlossen sind, leiden auch die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen immens. Kinder haben kaum noch Kontakt zu anderen Kindern bzw. überhaupt anderen Menschen. Und nicht nur sie leiden darunter besonders, genauso dringend bräuchten gerade ältere Menschen körperliche Nähe und Zuwendung ihrer Liebsten. Doch sie wird ihnen zwangsweise verwehrt, weil man sie schützen möchte.

 

Die wirtschaftlichen Folgen sind ebenfalls ein zentraler negativer Effekt der Corona-Krise, wobei hier die staatlichen Beschränkungen und Hilfsmaßnahmen eine gewaltige Rolle spielen, wie stark diese durchschlagen. Bei Unternehmern und Selbständigen bzw. Freiberuflern geht die Angst vor der Insolvenz um. Denn wenn ihre Geschäfte geschlossen bleiben (müssen), machen sie zwangsläufig enorme Verluste. Und diese sind natürlich auf längere Zeit ohne Staatshilfen nicht zu verkraften. Das hätte eine Pleitewelle zur Folge, was wiederum die Arbeitslosigkeit noch mehr in die Höhe treiben würde als es bereits jetzt der Fall ist. Insgesamt droht eine wirtschaftliche Rezession, die alle Bürger mehr oder weniger zu spüren bekommen würden. Da in diesem Fall der Pandemie die gesamte Weltwirtschaft betroffen ist, sind die Auswirkungen noch gar nicht abzuschätzen. Und die Folgewirkungen dürften ebenfalls katastrophal sein. Denn gerade ärmere Länder haben nicht die Mittel, diese Verluste zu verkraften. Es könnte also eine negative Kettenreaktion in Gang gesetzt werden, die in wirklich dramatischen Szenarien enden könnte. Das will man sich lieber nicht ausmalen. Und selbst wenn es gelingt, durch große Hilfspakete und Konjunkturprogramme seitens der Staaten die wirtschaftlichen Schäden abzumildern, wachsen doch die Schuldenberge, die kommende Generationen erben und (ab)tragen müssen.

 

Nicht zuletzt hat die Corona-Krise auch eine politische Dimension. Denn im Rahmen der Infektionsschutzmaßnahmen werden weitreichende Einschnitte in die demokratischen Grundrechte vorgenommen: Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit, Bewegungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit, Religionsfreiheit. Es droht eine Entwicklung zum Überstaat oder gar zum Überwachungs- und Polizeistaat. Die Polizei bekämpft weniger klassische Kriminalität, sondern wird verstärkt zur Einhaltung und Durchsetzung von restriktiven Schutzmaßnahmen eingesetzt. Und auch manche Bürger fühlen sich berufen, vermeintliche Regelbrecher zu melden und anzuzeigen. Das kann schlimmstenfalls in eine Unkultur des Denunziantentums und der Spitzelei ausarten. Die Bürger präferieren in einer solchen Bedrohungslage durch eine Seuche häufig starke Führungspersönlichkeiten, die für Sicherheit sorgen, anstatt für Freiheit. Auch Verschwörungstheorien haben dann Hochkonjunktur, sie sorgen für Misstrauen und Ressentiments gegenüber bestimmten Gruppen, meist Minderheiten, oder Personen. In vergangenen Zeiten hat man Sündenböcke für schicksalhafte Katastrophen gesucht und gefunden. All das ergibt eine hochproblematische Gemengelage, die sich weiter hochschaukeln kann. Außerdem werden andere wichtige politische Themen vernachlässigt, sie drohen einfach im Trubel um die Epidemie unterzugehen. Beispiele hierfür sind globale Themen wie Kriege, Flüchtlingskrise, Klimawandel und andere Katastrophen bzw. Probleme.       

 

 

Positive Effekte

 

Nun wird aber auch immer wieder von Chancen und positiven Auswirkungen dieser Krise gesprochen. Darum wollen wir uns auch diese einmal umfassend vor Augen führen.

 

Unmittelbare positive Folgen der Krise könnten im Idealfall sein, dass die Menschen die Krise zum Anlass nehmen, über grundsätzliche Fragen nachzudenken, zuallererst könnten Gesundheit und Freiheit mehr Wertschätzung erfahren. Als nächstes könnten Gedanken über die eigene Sterblichkeit bzw. Endlichkeit folgen. Damit verbunden sind philosophische Fragen nach Transzendenz und Spiritualität, mithin der Frage nach Gott und unserem Verhältnis zu ihm, also die Frage nach der Religion. Dadurch könnte der Glaube an Bedeutung gewinnen. Doch auch die Grenzen der Wissenschaft dürften in einer solchen Bedrohungslage durch ein Virus ins Bewusstsein der Menschen kommen, denn bisher kann man medizinisch nicht viel gegen die Viruserkrankung ausrichten. Auch unser Lebensstil und unser System des Wirtschaftens könnten grundsätzlich hinterfragt werden. Durch den erzwungenen Stillstand besteht umso mehr die Möglichkeit zur Reflexion und zum Umdenken bzw. Umlenken hin zu einem besseren Umgang mit Menschen, Tieren und unserer Umwelt. Religiös betrachtet besteht hier die Möglichkeit zur Umkehr, zur Buße über vergangene Schuld und den Willen es zukünftig besser zu machen, mehr Demut und Ehrfurcht vor Gott und seinen Geboten an den Tag zu legen und letztlich einzugestehen, dass man einen Erlöser, nämlich Jesus Christus, braucht. Bisher kann ich das nur begrenzt erkennen, aber wir befinden uns auch erst am Anfang der Krise.

 

Und natürlich besteht in der Krise auch die Chance zur Bewährung. Wie verhalten wir uns? Sind wir solidarisch mit unseren Mitmenschen, insbesondere jenen, deren Gesundheit bzw. Leben im Falle einer Infektion besonders gefährdet ist? Verhält man sich vernünftig und verantwortungsvoll? Bleibt man trotzdem kritisch und differenziert zwischen notwendigen bzw. verhältnismäßigen und unsinnigen bzw. unverhältnismäßigen Maßnahmen? Herrscht unter der Bevölkerung die Disziplin, auch schwierige Einschränkungen zu ertragen? Gibt es einen echten Zusammenhalt und vielleicht sogar einen Schub für soziales Verhalten oder ist sich am Ende doch jeder selbst der nächste?

 

Zu guter Letzt entstehen durch die getroffenen Eindämmungsmaßnahmen auch manch positive Nebenwirkungen. Die Natur atmet spürbar auf, weil einfach wesentlich weniger Abgase und Umweltgifte ausgestoßen werden. Die Klimabilanz der Treibhausemissionen verbessert sich zumindest vorübergehend. Ein Teil der Kriminalität geht deutlich zurück. Auch moralisch verwerfliche Gewerbe wie Prostitution, Glücksspiel und so manche fragwürdige Vergnügungsindustrie müssen auf Einnahmen verzichten. Außerdem ist der Straßenverkehr durch die Ausgangsbeschränkungen deutlich reduziert, d.h. es entstehen weniger Staus und Unfälle. Das Benzin und Heizöl werden billiger, wobei man das aufgrund seiner Klimaschädlichkeit nur bedingt als positiv bewerten kann. Für manche ergibt sich durch den Arbeitsausfall auch eine gewisse Entschleunigung oder Stressreduktion, doch das dürfte eher die Ausnahme sein. Das Gleiche gilt für Paare und Familien, die diese Zeit als Bereicherung im Sinne einer Intensivierung ihrer Beziehungen untereinander erleben. Im Gegensatz zu den negativen Wirkungen ergeben sich die positiven eher nicht von allein, sondern sind viel kontingenter. Sie müssen als Chance ergriffen und genutzt werden, um sich zu entfalten. Dann kann langfristig auch etwas Gutes daraus entstehen.  

 

 

3.   Persönliche Einschätzung

 

Zum Schluss möchte ich noch eine eigene Einschätzung der Ereignisse und der Lage abgeben. Anfangs habe ich, genau wie die meisten von uns, die Viruskrankheit nicht so ernst genommen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie uns dermaßen betreffen und sich daraus eine so gewaltige Pandemie entwickeln würde. Was das Krisenmanagement der Regierung, also in erster Linie der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten, anbelangt, muss ich konzedieren, dass es größtenteils besonnen, überlegt und unaufgeregt erfolgte. Man hat es geschafft, die Gesundheit der Menschen zu schützen und die Infektionen bzw. Sterbefälle in Deutschland niedrig zu halten. Im Vergleich zu den meisten anderen Ländern schneidet Deutschland in dieser Hinsicht bisher sehr gut ab, wofür es von anderen Ländern bewundert wird. Auch die dafür getroffenen Eindämmungsmaßnahmen waren im Großen und Ganzen gesehen angemessen und effektiv.

 

 

Kritische Anmerkungen zum Krisenmanagement

 

Allerdings gibt es auch Dinge, die nicht gut gelaufen sind und die man bemängeln kann, was angesichts einer so enormen und neuartigen Herausforderung aber normal und verständlich ist. Die Pandemiepläne waren nicht optimal ausgearbeitet, vor allem fehlten ausreichend Schutzmasken und andere medizinische Ausrüstung, die eigentlich unabdingbar sind. Des Weiteren hat man anfangs meiner Meinung nach zu viel auf die Meinung von bestimmten Virologen gehört. Das Robert-Koch-Institut, das dabei eine führende Rolle innehat, glänzte nicht immer mit einer durchdachten und kompetenten Einschätzung der Lage bzw. Beratung zum Umgang mit dem Virus. Die Gesellschaft insgesamt verhielt sich vorbildlich diszipliniert, fast schon etwas zu diszipliniert. Denn die Eingriffe waren bzw. sind zwar nicht so extrem wie in anderen Ländern, aber das war bei uns auch gar nicht notwendig, da wir niemals auch nur annähernd an Kapazitätsgrenzen der Krankenhäuser und des Gesundheitssystems gestoßen sind, dennoch wurden auch bei uns Grundrechte massiv beschnitten und außer Kraft gesetzt. Und dies haben Gerichte hinterher auch vielfach als unzulässig verurteilt. Die Medien verhielten sich gut, denn sie haben ihre Wächterfunktion wahrgenommen und umfassend, differenziert und angemessen kritisch berichtet bzw. kommentiert. Negativ war nur, dass man anfangs viel zu viel über die Epidemie berichtet hat, noch dazu mit einem Fokus auf die schlimmsten Szenen aus Italien. Das erzeugte natürlich in der Bevölkerung zum Teil große Angst und führte zu Hamsterkäufen, Börsenstürzen und dem Wunsch nach größtmöglicher Sicherheit. Außerdem wurden andere Themen nahezu komplett ausgeblendet.

 

Die Maßnahmen der Regierungen waren überwiegend gut, aber nicht optimal. Man hätte wahrscheinlich etwas früher reagieren müssen, was die Beschränkung von Großveranstaltungen oder die Kontrolle von Reisenden angeht und dafür etwas weniger restriktiv in anderen Bereichen, wobei man hier nach einzelnen Bundesländern unterscheiden muss. Man hätte auch früher Abstandsregeln und andere Sicherheitskonzepte einführen sollen. Für Bayern waren striktere Maßnahmen nötig, weil die Lage hier angespannter ist als anderswo. Dennoch halte ich es für übertrieben, Menschen keinerlei Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts zuzubilligen. In anderen Bundesländern war es mindestens eine andere Person, die man treffen durfte. Auch, dass man sich zeitweise nicht einmal allein auf eine Parkbank oder auf die Wiese setzen durfte, war niemals angemessen und plausibel, solange sich keine Menschenmengen bilden. Und es gibt viele weitere solcher absurden Vorschriften im Kleinen. Insgesamt waren die Regierenden etwas zu ängstlich und auf Sicherheit bedacht, doch wer kann es ihnen verdenken. Es ist eine riesige Verantwortung, die sie tragen. Entscheidend ist, dass sie jetzt und später bei der Wirtschaftsförderung und auch im Bildungssystem und der Infrastruktur die richtigen Weichen für die Zukunft stellt, damit das Geld nicht sinnlos versickert, sondern ein tragfähiges und nachhaltiges Ergebnis generiert.

 

Bei der Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen braucht man sehr viel Augenmaß, Geduld und Vorsicht, muss aber auch sehr nach geografischer Region und Branche differenzieren. Erstes Kriterium sollte das Maß der potenziellen Gesundheitsgefährdung bei einer Lockerung sein, als zweites gilt es, die Relevanz und Bedeutung für die Gesellschaft einer Branche bzw. eines Bereichs zu beachten (auch unter normativen Gesichtspunkten) und erst dann sollte die ökonomische Bedeutung im engeren Sinne (die volkswirtschaftliche Systemrelevanz fällt unter den zweiten Punkt) von Branchen eine Rolle spielen. Unabhängig von diesem schrittweisen Vorantasten, das derzeit angeraten ist, brauchen wir jedoch auch eine längerfristige Strategie und Perspektive, da wir auf einen Impfstoff noch lange warten müssen. Wie können wir die Zeit bis dahin überbrücken, ohne ständig in Gefahr zu stehen, wieder einen großen Ausbruch des Virus zu erleben und ohne dass wir so strikte Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, dass die Kollateralschäden uns massiv treffen? Weitere Schutzmaßnahmen (Impfung, Nachverfolgungs-App für das Smartphone) sollten freiwillig erfolgen. Alles in allem ist etwas Mut und auch Gottvertrauen nötig, um ein Stück Freiheit zu wagen, ohne tollkühn und verantwortungslos zu werden. Ich gebe Wolfgang Schäuble recht, wenn er sagt, dass man das Recht auf Leben bzw. Gesundheit nicht absolut setzen darf und alles andere diesem Ziel geopfert werden kann. Selbst der beste Zweck heiligt nicht die Mittel. Die Kollateralschäden von Maßnahmen müssen immer in die Gesamtbeurteilung miteinkalkuliert werden. Sonst heißt es am Ende schlimmstenfalls „Operation gelungen, Patient tot.“ Das Leben ist nicht ohne Risiko und absolute Sicherheit können wir nicht herstellen und sollten es auch nicht versuchen.

 

 

Die christliche Sicht auf die Coronakrise
 

Abschließend möchte ich noch etwas genauer auf die christliche Perspektive auf den bisherigen Verlauf der Coronakrise eingehen. Der für mich wichtigste Aspekt bei den Ausgangsbeschränkungen ist das Gottesdienstverbot, das selbst an Ostern nicht aufgehoben wurde. Hier hätte man eine Ausnahmeregelung unter bestimmten Auflagen finden können und müssen! Dass Gottesdienste nicht generell verboten werden dürfen, bestätigt mittlerweile sogar das Bundesverfassungsgericht. Am meisten hat mich erschreckt und betrübt, dass sogar viele Gläubige, gefühlt sogar die Mehrheit, für das Verbot waren. Da stimmt etwas nicht mit der Einstellung vieler Christen zu Gottesdiensten und dem Gemeindeleben. Wenn man die Bedeutung und den Wert von Gemeinschaft, Sakramenten, Feierlichkeiten und Ritualen für den Glauben nicht mehr erkennt und verteidigt, dann scheint Religion bzw. Gemeinde obsolet geworden zu sein. Der Glaube wird dann in den Bereich des Privaten und Individuellen verbannt, nach dem Motto: „Ich und mein Jesus, mehr brauche ich nicht“ (Und Jesus mache ich mir so, wie ich ihn gerne hätte), bereichert durch religiöse Online-Angebote, die nach Lust und Laune konsumiert werden können. Als positives Argument wurde immer die Nächstenliebe angeführt (weil man ja niemanden anstecken will), doch besteht Nächstenliebe nur im Vermeiden von Risiken? Braucht es nicht viel mehr eine Risiko- und auch Opferbereitschaft von Christen, gerade in schwierigen Zeiten? Und hat man es sich da nicht etwas zu leicht gemacht? Man hätte durchaus sichere Konzepte entwerfen können, die großen Kirchen haben es nun vorgemacht. Es scheint so, dass viele Christen insgeheim Angst vor Versammlungen haben, weil sie das Gut der (eigenen) Gesundheit und den Lebenserhalt über alles andere stellen, obwohl das gar nicht der Lehre Jesu bzw. der Bibel insgesamt entspricht. Das Wichtigste ist vielmehr die Errettung der Seele, das Seelenheil. Wenn jedoch die Transzendenz selbst bei Evangelikalen nicht mehr zentraler Bestandteil und oberstes Ziel des christlichen Lebens ist, dann ist der Verfall der Christenheit bereits viel weiter fortgeschritten als gedacht. Doch auch dafür ist so eine Krise gut, es werden Dinge offenbar, die in normalen Zeiten leicht überspielt werden können.

 

Leider zeigen sich auch einige Christen in den sozialen Medien jetzt verstärkt von ihrer schlechten Seite. Da kursieren wieder einmal wilde Verschwörungstheorien und irrationale Reaktionen. Das ist das gegenteilige Extrem zu den lauen Christen, die sich nur nach medizinischen Vorgaben und absolut staatstreu verhalten und sich vielleicht auch aus Angst oder Bequemlichkeit lieber ins Private zurückziehen. Im Netz manifestiert sich bei einigen ein rebellischer Geist gegen jede Eindämmungsmaßnahme der Regierung, bis hin zur Leugnung, dass es überhaupt eine echte Virusepidemie gibt. Solche Negativbeispiele von Christen findet man sogar an der Spitze von mindestens zwei großen Ländern, nämlich den USA und Brasilien. Beide Länder werden derzeit nicht gut regiert, weil sie die Epidemie unterschätzt haben. Es besteht eben ein Unterschied zwischen Mut und Tollkühnheit, zwischen Gottvertrauen und naiver bzw. überheblicher Ignoranz, nach dem Motto: „Uns kann nichts passieren, also brauchen wir auch keine präventiven Maßnahmen.“

 

Dass Christen jetzt Versuchungen und Anfechtungen leichter erliegen, sei es, dass sie lau werden, sei es dass sie irrational, radikal und rebellisch werden oder sich auf andere Weise verirren oder versündigen, liegt bestimmt nicht nur an der schwierigen Situation an sich, über die sich manche ärgern und Luft verschaffen, sondern auch an den fehlenden (guten) Gottesdiensten, der fehlenden Gemeinschaft mit anderen Christen und der fehlenden Leitung durch (bibelfeste) Pastoren und Älteste. Gemeinden sind darum jetzt herausgefordert, Mittel und Wege über Online-Gottesdienste und virtuelle Kontakte hinaus zu finden bzw. zu entwickeln, um Gemeinschaft, Austausch, Gemeindezucht und Dienst für Gott zu ermöglichen und zu organisieren. In der Krise muss man sich bewähren. Das gilt für uns alle. Gelingen kann uns das allerdings nur, wenn wir im Heiligen Geist bleiben. „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim. 1, 7). Deswegen prüfen wir uns selbst, bitten Gott um Vergebung wo es nötig ist und beten füreinander und für alle Entscheidungsträger in Staat, Kirche und Gesellschaft, damit wir diese Prüfung meistern und bestenfalls geläutert aus dieser Krise hervorgehen. „Not lehrt Beten“ und „Not macht erfinderisch“ heißt es, wollen wir hoffen, dass es stimmt.

 

Auf einen letzten Aspekt möchte ich noch kurz eingehen. Unter Christen wird kontrovers diskutiert, ob die Pandemie eine Strafe Gottes ist. Doch die Antwort darauf hängt vor allem davon ab, wie man das genau versteht. Bestraft uns Gott für etwas ganz Konkretes und trifft es nur die Schuldigen? Das würde ich eher verneinen. Doch ist Covid-19 als Seuche ein Zeichen für das kommende Gericht über diese Welt und damit auch eine Strafe über die sündige, gefallene Menschheit? Das würde ich klar bejahen. Denn in der Bibel wird uns das explizit so offenbart und angekündigt (vgl. Lk. 21, 11). Folglich sollten wir Christen die Welt darüber nicht im Unklaren lassen, sondern sie aufklären und warnen und gleichzeitig zur Umkehr aufrufen. Denn unabhängig von der Epidemie und dem Erhalten der eigenen Gesundheit geht es doch vor allem um die Erlangung des ewigen Lebens bei Gott durch Jesus Christus.

 

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